Vizemeister 2015 beim Goldenen Schnitt
Das von uns gewählte Beispiel entspricht sicherlich nicht der perfekten Baumpflege wie sie für den „Goldenen Schnitt“ angedacht ist: weder haben wir ein Naturdenkmal saniert, oder mit Kronensicherungen und Erdanker einen Baumveteranen erhalten, noch haben wir durch die Durchführung einer Kronenpflege einen Baum vor Fehlentwicklungen und Verletzungen bewahrt.
Mit unserer Einsendung wollen wir den leider noch viel zu oft vorkommenden Regelfall dokumentieren und aufzeigen, wie wir als Baumpfleger versuchen, den zum Wohle des Baumes bestmöglichen Kompromiss zu erzielen und bei den Baumeigentümern ein Umdenken im Umgang mit ihren Bäumen zu erreichen.
Bei unserem bearbeiteten Baum handelt es sich um eine mehrstämmige adulte Esche in deren unmittelbaren Nachbarschaft zwei Häuser gebaut wurden. Der arme Baum war sodann verantwortlich für Dreck, Schatten, niederbrechende Äste und dem Ganzen, jedem Baumpfleger hinreichend bekannte Spektrum an Plagen und Geißeln, denen die armen Menschen ausgesetzt werden und dem sie sich nur durch die Fällung des Baumes erwehren können.
Glücklicherweise steht der Baum in Vaterstetten einer Gemeinde mit Baumschutzsatzung. Die Fällung wurde von der Behörde untersagt aber einer Einkürzung zugestimmt. Als weiterer Glückstreffer für unsere Esche erwies sich der Standort des Baumes fernab der Straße mitten im Garten. Aufgrund dieser Tatsache war es den Baumeigentümern nicht möglich die Einkürzung mit einem Hubsteigers in Eigenregie durchzuführen und sie mussten auf uns Baumkletterer zurückgreifen.
Schon im Vorfeld wurde uns signalisiert, dass wir möglichst viel herunter schneiden sollen und es egal sei, wenn der Baum nachhaltig geschädigt würde.
In dieser aufgeheizten Grundstimmung w ar es sehr wichtig, im Vorfeld die richtigen Weichen zu stellen. Durch Absprache mit der Baumschutzbehörde konnten wir sinnvolle Rahmenbedingungen für den Baumschnitt festlegen. So wurde verfügt, dass die Einkürzung auf Grundlage der ZTV zu erfolgen habe, Schnitte im Grobastbereich wurden ausdrücklich nur für einen Starkast genehmigt, stärkere Schnitte kategorisch ausgeschlossen, außerdem konnten wir erreichen, dass die Maßnahme innerhalb der Vegetationsperiode durchgeführt werden durfte und wir von der Sperrfrist entbunden wurden.
Mit diesen Vorgaben hatten wir uns dem Druck nach schädigenden Eingriffen entzogen und eine Basis geschaffen nach welcher eine fachgerechter Baumschnitt möglich ist.
Um die Kosten für den Baumschnitt zu reduzieren, den Auftraggebern aber auch ein Gefühl zu vermitteln welche Mengen an Biomasse von uns entnommen werden, wurde diesen die Entsorgung des Schnittgutes auferlegt.
Nun konnten wir mit der eigentlichen Baumpflege beginnen…
Die Entnahme des zentralen Stämmlings in der Vergangenheit führten bei unserer Esche zu einer ausgeprägten Kodominanz und Ansätzen einer Hohlkrone, phototrope Äste und Konkurrenz mit einem Ahorn hatten das Erscheinungsbild ebenfalls negativ geprägt.
Durch eine Kombination aus Einkürzung und Auslichtung ausgewählter Kronenteile konnten wir den Habitus wieder herstellen. Außerdem gelang es uns, den Hausdächern zugewandte Teilbereiche, in ihrem Wuchs zu bremsen und einen neuen Terminalbereich fernab der Bebauung herauszuarbeiten.
Die Auslichtung der den Garten überlagernden Kronenpartien und die Einkürzung der fassadennahen Äste bewirkten, obwohl ausschließlich im Fein – und Schwachastbereich praktiziert, einen merklich verbesserten Lichteinfall.
Schon während unserer Arbeit änderte sich das deutlich angespannte und von Misstrauen geprägte Klima: die anfänglichen Sprüche nach dem großen Schnitt direkt über dem Boden und der Forderung nach mehr und größeren Astentnahmen verstummten und wichen gelegentliche Anerkennungen über unsere Kletterleistung aber auch Bemerkungen wonach doch schon Einiges geschehen sei und der Baum schön aussehe.
Ob dies auf einen 100 prozentigen Wandel in der Grundeinstellung gegenüber den Bäumen zurückzuführen ist oder aber das Tragen einer Vielzahl von Ästen bei sommerlichen Temperaturen die Motivation auf lautstarke Kritik verstummen ließen sei dahin gestellt.
Fakt ist aber, dass die Kunden zum Schluss sehr zufrieden waren und eine Fällung der Esche auch zukünftig nicht mehr in Betracht ziehen werden.